Vor seiner „Entdeckung des Orgons" ist Reich, der nach seiner Promotion zum Dr. med. in Wien unter Wagner-Jauregg zum Psychiater ausgebildet worden war, zwei Jahrzehnte als Psychoanalytiker tätig gewesen. In Weiterführung von Freuds Libidotheorie hatte Reich als Kriterium für eine erfolgreich abgeschlossene Psychoanalyse das Erreichen der orgastischen Potenz vorgeschlagen. Aus therapeutischen Techniken, die geeignet waren, die Widerstände des Patienten gegen das Erreichen dieses Therapieziels zu überwinden (Widerstandsanalyse), hatte er die Charakteranalyse entwickelt und - nach seinem durch Freud veranlassten Ausschluss aus allen psychoanalytischen Vereinigungen 1934 - durch Einbeziehung körperlicher Prozesse zur so genannten Vegetotherapie weiterentwickelt. Dabei hatte er u. a. an das von dem damals berühmten Mediziner Friedrich Kraus entwickelte Konzept der „vegetativen Strömung" angeschlossen. Eine Fortsetzung dieser Entwicklung stellt die „Orgontherapie" dar.
Reich betätigte sich, weil er die Orgonenergie für ubiquitär hielt, nicht mehr nur in seiner Disziplin, der Medizin, als „Orgonforscher", sondern wandte sich auch anderen Gebieten zu, so etwa der Mikrobiologie, der Physik und der Meteorologie.
Freuds Annahme zur Libido war, dass die primäre Funktion des „Neuronensystems" sei, Energie unverzüglich und vollständig zur Abfuhr zu bringen und die sekundäre Funktion, Energie in bestimmten Neuronen und Neuronensystemen zu speichern. Freud ging davon aus, dass Störungen der Psyche durch Verhinderung der freien Entladung dieser libidinösen Energie in der Kindheit entstehen, z. B. durch moralische Verbote bestimmter lustvoll besetzter Handlungen, überbehütendes oder übermäßig strenges Verhalten der Eltern etc. Auf diesem Konzept baute Reich seine Theorie der orgastischen Potenz auf.
Reich wollte in seiner klinischen Arbeit mit seinen Patienten festgestellt haben, dass alle Neurotiker eine sexuelle Störung im Erleben des Orgasmus zu haben schienen. Er definierte solch eine Orgasmusstörung nicht wie die medizinische Forschung als Beeinträchtigung der Fähigkeit, (irgend)einen Orgasmus zu erleben, sondern eher anhand der Empfindungsfähigkeit beim gesamten Geschlechtsakt. In einer Rede vor dem Psychoanalytischen Kongreß in Salzburg (1924) beschrieb er die orgastische Potenz als die Fähigkeit, sich „den Strömen der biologischen Energie ohne Hemmung hinzugeben", die Fähigkeit „zur vollständigen Entladung aller aufgestauten Sexualerregung durch unwillkürliche, lustvolle Kontraktionen des Körpers." So geht er zum Beispiel davon aus, dass ein Mann, der zwar eine Erektion haben kann, aber während des Geschlechtsakts keine „tiefen" Empfindungen hat, durch Gedanken übermäßig abgelenkt wird bzw. sich selbst ablenkt oder allzu sehr bemüht ist, „gut" zu sein und dann beim Orgasmus nur ein mehr oder minder kurzes „Aufflammen" der Befriedigung erlebt, keine volle orgastische Potenz erreicht. Die „orgastische Impotenz" - die Unfähigkeit zur vollständigen Energieabfuhr - bewirkt laut Reich eine Stauung der Libido, die je nach Ausmaß zu neurotischen Störungen führen kann.
Auf der Grundlage seiner Arbeit im „Wiener Seminar für Psychoanalytische Therapie" kam Reich zu einer von der Freudschen Analyse abweichenden Erklärung der Phänomene Widerstand und Übertragung. Nach Reich ist der Widerstand eines Patienten durch dessen „Körperpanzerung" verursacht. So reagiere jeder Patient gemäß seiner Körperpanzerung auf die Therapie mit einer spezifischen Abwehr, die unterschiedliche Formen annehmen kann. Diese individuelle Organisation der Abwehrmuster nannte Reich den „Charakterpanzer". Er ging davon aus, dass der Charakterpanzer das Resultat der erstarrten Lebensgeschichte eines Menschen ist, also „die funktionelle Summe aller vergangenen Ereignisse". Hierbei weist Reich, ebenso wie Freud, den Erlebnissen der frühen Kindheit eine entscheidende Rolle zu. Nach Reich sind dabei Zeitpunkt und Intensität der Konflikte, ihre Art (wie bei Freud differenziert nach oralen, analen und genitalen Aspekten), das Verhältnis zwischen Triebbefriedigung und Frustration, das Ausmaß der Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil und die Widersprüche im versagenden Verhalten des Elternteils wichtige Einflussgrößen für die Ausbildung der Charakterpanzerung. Durch die Wechselwirkung dieser Faktoren kann es zu einem breiten Spektrum unterschiedlicher neurotischer Charakterstrukturen kommen.
Im Sommer 1939 glaubte Reich entdeckt zu haben, dass sich eine aus Meeressand gewonnene „Bionkultur", die an sich keinen Ausschlag am Elektroskop gab, in einer Weise „auflud" oder „energetisch anregte", dass sie an einem statischen Elektroskop einen kräftigen Ausschlag produzierte. Er fand (angeblich) des Weiteren heraus, dass vegetativ nicht gestörte menschliche Körper, am stärksten vom Bauch und den Genitalien her, Gummi und Watte in derselben Weise anregten, dass nach etwa 15 bis 20 Minuten Beeinflussung durch den Körper am Elektroskop ein Ausschlag erfolgte.
Anfangs glaubte er, der Sand, aus dem diese „Bione" durch Glühen und Quellung entstanden, sei letzten Endes erstarrte Sonnenenergie. Es war daher naheliegend, Gummi und Watte der grellen Sonnenstrahlung auszusetzen, wobei sie vorher am Elektroskop keinen Ausschlag erzeugten, wohl aber nach dem Lagern in der Sonne. Reich nannte diese Energie Orgon. Diese Energieform lud laut Reich Gummi und Watte in derselben Weise auf wie die Bionkultur und der menschliche Organismus nach guter Durchatmung im vegetativ nicht gestörten Zustand.
Nach Reich ist die Orgonenergie auch im Erdboden, in der Atmosphäre und am pflanzlichen und tierischen Organismus visuell, thermisch und elektroskopisch nachweisbar.
Reich versuchte das atmosphärische Orgon in seinem Laboratorium in eigens dafür konstruierten Apparaten zu akkumulieren (lat.„ansammeln") oder konzentrieren und durch bestimmte Materialanordnung sichtbar zu machen. Er beschreibt die Farbe der Orgonenergie als blau oder blaugrau. Die Orgonstrahlung enthält nach Reich drei Arten von Strahlen: blaugraue, nebelähnliche Schwaden, tief blauviolette expandierende und kontrahierende Lichtpünktchen und gelbweiße, rasche Punkt- und Strichstrahlen. Die blaue Farbe des Himmels und das Graublau des atmosphärischen Dunstes an heißen Sommertagen gäben die Farbe des atmosphärischen Orgons unmittelbar wieder. Das Flimmern am Himmel, das von manchen Physikern dem Erdmagnetismus zugeschrieben wird, und das Glitzern der Sterne in klaren, trockenen Nächten seien unmittelbarer Ausdruck der Bewegung des atmosphärischen Orgons. Reich meinte, dass auch die damals unverstandene Wolken- und Gewitterbildung von Konzentrationsänderungen des atmosphärischen Orgons abhänge, was sich durch.
Laut Reich enthält der lebende Organismus in jeder seiner Zellen Orgonenergie und lädt sich mittels der Atmung unausgesetzt orgonotisch aus der Atmosphäre auf. Auch das Chlorophyll der Pflanzen, das dem eisenhaltigen Eiweiß (Hämoglobin) des tierischen Blutes verwandt ist, enthalte Orgon, das es direkt aus der Atmosphäre und der Sonnenstrahlung aufnehme. Reich behauptete, dass auch Protozoen, Krebszellenetc. durchweg aus orgonhaltigen, bläulichen Energiebläschen bestünden. Das Orgon wirke vagoton und lade lebendes Gewebe, im besonderen die roten Blutkörperchen, auf. Es töte Krebszellen und viele Arten von Stäbchenbakterien. Der menschliche Körper sei von einem „orgonotischen Energiefeld" umgeben, das sich, je nach vegetativer Lebendigkeit, in verschieden weiten Grenzen bewege.
Reich vertrat die These, dass starke orgonotische Systeme schwachen die Energie abzögen (und sah darin ein „Gegenprinzip" zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik); so zöge der menschliche Körper ständig aus der Umgebung Orgonenergie ab. Allerdings habe jedes System eine Sättigungsgrenze, ab der es beginne, sich spontan zu entladen.
In Anwendung dieser These - und zu ihrer messtechnischen Überprüfung - baute Reich einen sogenannten Orgonakkumulator, eine Anordnung von Materialien, mittels derer Orgonenergie konzentriert werden soll. Es handelt sich dabei um einen Kasten, dessen Wände außen aus einem nichtleitenden Material, zum Beispiel einer Dämmplatte, und innen aus leitendem Material, wie Stahlblech, bestehen. Zur Erhöhung der Wirkung können die Wandtafeln zwischen äußerer Dämmplatte und innerem Stahlblech mit mehreren Doppelschichten aus Materialien mit den gleichen Eigenschaften, wie Stahlwolle und zum Beispiel Steinwolle, verstärkt werden.
Es wurden Orgonakkumulatoren in verschiedenen Größen gebaut. In seinem Labor hatte Reich einen Orgonakkumulator von der Größe eines Wohnraums, der lichtdicht war und spezielle optische Effekte der Orgonkonzentration zu beobachten erlauben sollte. Für therapeutische Zwecke wurden Orgonakkumulatoren von der Größe einer Kabine benutzt, in der sich eine Person sitzend aufhalten konnte. Für punktuelle Anwendungen schließlich kamen sogenannte Orgon-„Shooter" zum Einsatz, die würfelförmig mit einer Kantenlänge von 30-40 cm waren. Die in ihrem Inneren akkumulierte Orgonenergie sollte mittels eines mit Isoliermaterial umwickelten, flexiblen Stahlschlauches gezielt an eine Stelle, zum Beispiel auf eine Schnittwunde, gelenkt werden.
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